Ein Berufsleben im Dienst der internationalen Ökumene

Interview zum Ruhestand mit Pfarrerin Ursula Thomé

20 Jahre im Dienst der internationalen Ökumene, 17 Jahre im Gemeindedienst in Altenessen – im September geht ein erfülltes Berufsleben zu Ende und Pfarrerin Ursula Thomé wird aus ihrem Dienst verabschiedet. Seit 2003 war sie für den Gemeindedienst für Mission und Ökumene in der Region Duisburg, Essen, Mülheim und Oberhausen tätig, der jüngst in den regionalen Dienst der VEM (Vereinten Evangelischen Mission) überführt wurde. Im Gespräch blickt Ursula Thomé auf ihre Arbeit zurück.

Die Verabschiedung findet am Sonntag, 3. September, 15 Uhr, in einem feierlichen Gottesdienst in der Pauluskirche an der Witthausstraße 11, 45470 Mülheim an der Ruhr, statt. Dazu wird herzlich eingeladen.

Wie sind Sie eigentlich zur ökumenischen Arbeit gekommen?

Angefangen hat es während meiner Studienzeit, da habe ich als Steward bei einer ökumenischen Konferenz zu Antirassismus viele sehr persönliche Erfahrungsberichte von Teilnehmenden hören können. Dann, nach einem Semester Aufbaustudium im ökumenischen Institut des ÖRK (Ökumenischer Rat der Kirchen) in Bossey / Genf, konnte ich mir Kirche ohne Ökumene gar nicht mehr vorstellen.

Welche ökumenischen Momente bleiben Ihnen besonders im Gedächtnis?

Etwas ganz Besonderes war sicherlich die große Partnerschaftsbegegnung in Essen 2010 mit rund 40 Gästen unter anderem aus Namibia, Sri Lanka, Indien, dem Kongo, Tschechien, El Salvador, Brasilien und Chile. Die Gruppe aus dem Kongo hat mit einem Stopp bei der Visabehörde zwei Monate für ihre Anreise investiert. Schon bei der Eröffnungsveranstaltung konnten wir einen gemeinsamen Geist richtig spüren. Unser Thema war die Überwindung von Gewalt – mit der Begegnung haben wir zugleich den Abschluss der ökumenischen Dekade zu diesem Thema gefeiert. Unsere Gespräche waren intensiv, sehr persönlich haben Teilnehmende von gewaltvollen Erfahrungen in ihrer Heimat berichtet. Aber neben allen schweren Themen haben wir auch gemeinsam gegessen, gefeiert und getanzt.

Eine der spannendsten Begegnungsreisen führte mich nach Westpapua, in die Heimat einer Kollegin aus der Advisory Group for interregional Women’s Work der Vereinten Evangelischen Mission (VEM). Dort haben wir mit fünf Frauen aus Afrika und Asien internationale Frauenarbeit begleitet, ich war die Vertreterin der Region Deutschland für die VEM. Im Austausch erfuhren wir zum Beispiel, dass Witwen, die ihre Männer etwa aufgrund einer AIDS-Erkrankung verloren haben, oft stigmatisiert werden und Schwierigkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dazu kommt: Andere Ehefrauen fürchten, dass die ja noch relativ jungen Witwen ihnen ihre Männer abspenstig machen könnten. Das habe ich, wieder zurück in Deutschland, auch bei einem Besuch in der Frauenhilfe berichtet. Die trockene Reaktion: ,Das kennen wir hier ja auch‘.

Ein Highlight war sicherlich auch der Oberhausener Partnerschaftsbesuch aus Südafrika als 2006 der Weltgebetstag aus diesem Land kam. Für die Besucher*innen eine ganz besondere kulturelle Erfahrung war der Besuch beim deutschen Straßenkarneval. Auch die Weite-Wirkt-Aktivitäten gemeinsam mit Westfalen zum Reformationsjubiläum mit dem Fest in Mülheim waren eine große Sache – aber es müssen gar nicht immer die ganz großen Begegnungen sein. Auch der Mülheimer Pfingstgottesdienst mit der international besetzten Sprechmotette auf der Freilichtbühne war ein wunderbares Erlebnis.

Was nehmen Sie persönlich aus den Begegnungen mit?

Wir müssen unser Dominanzdenken ablegen. Wir in Deutschland und in Westeuropa haben ja oft den Hang, ,zu wissen wie es geht‘. Wir meinen, gut organisieren zu können – die Christ:innen aus dem globalen Süden finden das dann typisch deutsch und fragen mich „Meinst du, wir würden hier keine großen Konferenzen auf die Beine stellen?“ Dabei meinen wir es ja meist nur gut und wollen alles möglichst richtig machen. Und dann übersehen wir, dass es nicht nur unsere Art gibt, die Dinge zu regeln.

Gibt es auch Momente, in denen der ökumenische Dialog schwierig ist?

In manchen Punkten können wir nicht anders, als festzustellen, dass wir mit unseren ökumenischen Partnern völlig entgegengesetzter Meinung sind. Beim Gespräch über Homosexualität ist das zu Beispiel so. Wenn wir in Kontakt bleiben wollen, ist es aber wichtig, dass wir uns trotz dieser Unterschiedlichkeiten gegenseitig als „faithfull christians“ anerkennen und weiter gemeinsam unterwegs sind.

Was kann Kirche aus der Ökumene lernen?

Was wir theoretisch schon gelernt haben, müssen wir auch in konkretes Tun umsetzen. Zum Beispiel in punkto globale Gerechtigkeit, beim Einkauf fair gehandelter Produkte für die kirchliche Arbeit. Da müssen wir konsequent in der Umsetzung sein und auch bleiben. Oft werden entsprechende Beschlüsse gefasst, aber nach einem Jahr kehrt man wieder zur alten Gewohnheit zurück.

Vielleicht hätte ich mich dafür auch noch klarer einsetzen sollen. Aber es bringt nichts, als Oberlehrerin daherzukommen. Veränderungen müssen im Dialog entwickelt werden.

Noch ein Wunsch an die Kirche: Die Ökumene im Alltag im Blick haben, zum Beispiel den Kontakt innerhalb der ACK oder zu den Migrationsgemeinden pflegen. Ich weiß, das ist nicht leicht, oft schwindet der Elan eine gewisse Zeit nach einem gemeinsamen Projekt. Aber man kann ja schon mit kleinen Dingen anfangen: Bei den Fürbitten zum Beispiel regelmäßig auch die ökumenischen Nachbarn und die internationalen Partner in den Blick nehmen.

Hätten Sie sich noch eine Alternative zum ökumenischen Arbeitsfeld vorstellen können?

Ich war ja 17 Jahre lang Pfarrerin in Altenessen, da habe ich schon ausgiebig die Gemeindearbeit kennengelernt. In der Ökumene sagen wir, man muss ,Welten wechseln können‘. Zwischen der Gemeindearbeit und der in der internationalen Ökumene, das war schon ein ziemlicher Weltenwechsel.

Aber auch Erwachsenenbildung hätte ich mir als Arbeitsfeld vorstellen können, das ist ja auch gar nicht so weit weg vom ökumenischen Lernen.

Was kommt jetzt? Haben Sie schon Pläne für den Ruhestand?

Große Pläne gibt es noch nicht. Ich werde mir sicherlich die Zeit nehmen, zur Ruhe zu kommen und mich neu zu sortieren. Ganz kurzfristig freue ich mich über mehr Zeit für ausgleichende Bewegung beim Schwimmen und Qi Gong und für gemeinsame Reisen mit meinem Mann Günter. Bei der einen oder anderen Filmpremiere in der „Lichtburg“ wird man uns bestimmt auch wieder treffen, wir werden ja weiter in Essen wohnen. – Ein theologisches Vorhaben gibt es doch schon: Gemeinsam mit anderen Frauen fange ich ein Projekt „With Love and Compassion“ an. Wir tragen Porträts von Frauen zusammen, die für die Ökumene bedeutsam sind oder waren – aber oft wenig im Rampenlicht stehen. Nicht zuletzt macht es mir Freude, Gottesdienste zu feiern und auch vorzubereiten. Dazu ergibt sich früher oder später bestimmt auch im Ruhestand eine Gelegenheit.

 

Text und Bild: Evangelischer Kirchenkreis An der Ruhr, Annika Lante 

 

  • 15.8.2023
  • Rolf Schotsch
  • Red