Duisburg: Alternative Rundfahrt durch den Hafen einer Fairtrade-Town

Die Gäste der alternativen Hafenrundfahrt haben es sich an Bord des Fahrgastschiffes „Rheinfels“ gemütlich gemacht, die Hochfelder Marktsänger mit Mona Manson am Akkordeon singen sich ein für das musikalische Rahmenprogramm der zweistündigen Tour durch die Duisburger Hafenbecken. Kapitän Walter Moser will pünktlich ablegen. Einer ist noch draußen. Martin Schaper, der Leiter der Infostelle „Dritte Welt“ des Evangelischen Kirchenkreises Duisburg hält am Steiger vor der Ruhrorter Schifferbörse Ausschau nach den letzten Mitfahrern. An Bord sind unter anderem auch Interessierte mit längerer Anreise aus Wuppertal, Hagen und Essen. „Langsam sprechen sich die alternativen Rundfahrten über Duisburg hinaus rum“, freut sich Schaper, der schon wieder 70 Leute für die Touren im nächsten Jahr auf der Warteliste stehen hat. Wenn die an Bord gehen, wird er schon im Ruhestand sein. 30 Jahre hat er die Infostelle verantwortet und ein großes Netzwerk aufgebaut. Ende des Jahres ist für ihn Schluss damit. An die Zeit nach dem Berufsleben wird er sich erst gewöhnen müssen. Schaper schätzt, dass er in der Infostelle neben dem Neudorfer Weltladen über die Jahre mit rund 200 Organisationen kooperiert hat. Die alternativen Hafenrundfahrten sind ein gutes Beispiel dafür, was solche Zusammenarbeit bringen kann. Im Veranstaltungsteam koordiniert die Infostelle die Kooperationspartner Bürgerinitiative Saubere Luft e.V., die Bürgerstiftung für Umwelt, Gesundheit und Soziales, die Exile Kulturkoordination e.V., das Laboratorium der Kirchenkreise Dinslaken, Duisburg, Moers und Wesel, die Regionalgruppe Duisburg von Oikocredit und die Umweltgruppe West.

Das geballte Fachwissen der Vielen zur sozialen, ökologischen und entwicklungspolitischen Lage im Hafen und darüber hinaus schlägt sich an Bord in vielen kurz gefassten Beiträgen nieder, die den Horizont der Zuhörer gründlich erweitern. Man erfährt, was für eine Weltreise eine Jeans hinter sich haben kann, auf der am Ende „in Deutschland gefertigt“ stehen darf, weil der letzte von vielen Arbeitsgängen in der Bundesrepublik erfolgt ist. „Das war aber jetzt keine Satire oder, dass die Hose schon durch Indien, Bangladesch, die Türkei und Polen gereist sein kann, bevor da „Made in Germany“ draufkommt?“, fragt der Moderator Jürgen Mickley von der Stiftung für Umwelt noch mal ausdrücklich nach. Der Referent schüttelt den Kopf, keine Satire, globalisierter Textilwahnsinn. Zwischendurch schaltet sich Schiffsführer Moser ein und erklärt kurz, was es mit den glänzenden Blechwürfeln auf sich hat, von denen im Moment 15 000 Tonnen im Hafen lagern. „Das sind Fehlpressungen aus der Autoproduktion in Wolfsburg, da wird bei Arcelor Mittal Draht draus gemacht“, sagt er und liefert sich zu Freude seiner Fahrgäste ein kleines Hup-Duell mit dem Boot des Hafenmeisters, das die Rheinfels umkreist.

Woher holt der Energiekonzern Juniper eigentlich seit dem Importstopp für Russland die Kohle? Was tut sich auf der Seidenstraße, durch die Duisburg besondere Handelsbeziehungen mit China, der größten Diktatur der Welt, pflegt? Warum landen bergeweise unverkaufte Textilien in der Atacamawüste? Wie verhindert man als engagierter Bürger ein Gefahrstofflager neben einem Wohngebiet? Warum fühlt sich niemand zuständig für den Bau eines Autohofes für die vielen LKW-Fahrer, die in Duisburg am Straßenrand aus allen sozialen Bezügen fallen? „Hast du das gewusst?“, fragen sich die Fahrgäste untereinander mehr als einmal. Die Rundfahrten gibt es schon mehrere Jahre, aber die Beiträge werden laufend aktualisiert und den neuen Entwicklungen der Weltlage angepasst. Als die Rheinfels anlegt, nehmen die Gäste schriftliches Infomaterial und etliche persönliche Aha-Erlebnisse mit von Bord.

Text: Sabine Merkelt-Rahm

 

  • 5.7.2022
  • Rolf Schotsch
  • Sabine Merkelt-Rahm