Wie die Binnenschiffer mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen war das Thema des Gesprächs, das Sabine Merkelt-Rahm mit Pfarrer Frank Wessel vom Evangelischen Binnenschifferdienst Duisburg / Deutsche Seemannsmission, geführt hat. Hier ist das Interview:
Herr Wessel, im Moment steigt das Wasser im Rhein wieder, der Tiefstand von 151 am Ruhrorter Pegel scheint überwunden, bedeutet das Entwarnung für die Berufsschifffahrt?
Das wäre zu kurzfristig gedacht, die Regenfälle in Süddeutschland sind vielleicht nur eine Welle, die durchläuft, das Wasser kann jederzeit wieder fallen. Im Moment kommen zwar keine Seeschiffe den Rhein rauf, weil ihr Tiefgang zu groß ist, aber die Binnenschifffahrt hat eine sehr gute Auftragslage auch bei Niedrigwasser.
Wie kommt das?
Die Schiffer bekommen bei Niedrigwasser als Ausgleich einen „Kleinwasserzuschlag“ und fahren mit halber Ladung. Dadurch verbrauchen sie auch weniger Energie und haben in der Fahrrinne eine geringere Strömung gegen sich, als sonst. Hinzu kommen kurze Liege- und Umschlagszeiten Und man darf auch nicht vergessen, auf den Kanälen ist der Schiffsverkehr vom Niedrigwasser gar nicht beeinflusst.
Besonders Schifffahrtsraum für Trockengüter ist stark nachgefragt, jetzt wird wieder vermehrt Kohle transportiert. Und auch das Getreide aus der Ukraine wird über den Fluss abgefahren.
Also kein Grund zur Sorge für die selbständigen Unternehmer in der Binnenschifffahrt?
Die Binnenschiffer wissen, dass ihnen die gute Auftragslage nur so lange hilft, wie sie über die flachen Passagen ihrer Route hinwegkommen. Danach geht dann gar nichts mehr. „Ich komme über die Engstelle bei Kaub mit 300 Tonnen gerade noch drüber, aber viele Kollegen fahren da schon gar nicht mehr“, hat noch vor ein paar Tagen ein Binnenschiffer zu mir gesagt. Die Leute auf dem Fluss leben mit den Hochwassersperrungen und den Risiken bei Niedrigwasser Jahr ein Jahr aus und sind es gewöhnt. Sie müssen immer viele sich verändernde Parameter im Auge zu behalten, die ihre Fahrten beeinflussen können. Wie weit sie über langfristige Folgen des Klimawandels nachdenken, ist eine andere Frage.
Welche Auswirkungen auf die Binnenschifffahrt sind auf lange Sicht denkbar?
Schon heute ordern die großen Konzerne tiefgangoptimierte Transportschiffe, um den vermehrten und länger andauernden Niedrigwasserständen etwas entgegen setzen zu können. Nur mal angenommen, der Rhein wäre etwa durch die verminderten Wasser der Gletscherschmelze irgendwann nicht mehr dauerhaft schiffbar, das Szenario ist ja denkbar. Dann wären nicht nur die Binnenschiffer betroffen. Wenn die Zulieferung zu den großen Industrien am Rhein in Ludwigshafen, Mannheim, Wesseling und Duisburg per Schiff zum Erliegen käme, dann wären Tausende von Arbeitsplätzen an Land ebenso betroffen. Die Schiffer sind bei den derzeitigen Krisen oft vergessen.
Woran denken Sie da speziell?
Zum Beispiel hat man bei den großen Impfaktionen gegen Corona die Leute auf den Schiffen glatt vergessen. Bei den Seeschiffen hat sich Gitta Samko, die hier die Seemannsmission betreut hat, sehr eingesetzt, um Impfungen für die internationalen Besatzungen zu organisieren. Die Seeleute bekommen bei Krisen und bei kriegen, wie jetzt in der Ukraine die Auswirkungen sofort zu spüren. Ich weiß zum Beispiel von einer kompletten Schiffsbesatzung, die auf Grund der politischen Lage ein ganzes Jahr im Hamburger Seemannsheim festgesessen hat.
Im Moment ist die Stelle für die Seemannsmission unbesetzt, oder?
Leider ja, noch haben wir keine geeignete Nachfolge für Gitta Samko gefunden. Wir würden uns sehr freuen, wenn sich noch Kandidaten mit einem entsprechenden Studium melden würden, die gerne und engagiert soziale Arbeit auf dem Fluss machen wollen.
Danke für das Gespräch, Herr Wessel und noch eine letzte Frage. Hat sich das Niedrigwasser auch auf das Kirchenboot ausgewirkt?
Wir haben einen Meter zwanzig Tiefgang und konnten deshalb nicht mehr alle kleinen Häfen im Umkreis anlaufen. Aber wir haben die Zeit genutzt, um die Hinrich Wichern im Trockendock mit einem dringend nötigen Unterbodenanstrich versehen zu lassen und ein neues Echolot hat sie bei der Gelegenheit auch bekommen.
Das Bild zeigt Pfarrer Frank Wessel bei einem Videodreh 2021 auf dem Duisburger Kirchenboot Johann-Hinrich-Wichern; Foto: Daniel Drückes.