Martin Schaper räumt auf. In den 30 Jahren, die er die Infostelle „Dritte Welt“ des Evangelischen Kirchenkreises geleitet hat, ist viel gebundenes Wissen zusammengekommen. Nun muss das Archiv der 1974 ins Leben gerufenen Materialstelle leer werden. Ende des Jahres geht der Referent für entwicklungsbezogene Bildung in den Ruhestand. Seine Diensträume auf der Koloniestraße wird künftig der Weltladen nebenan als Erweiterung nutzen. Doch vorher muss alles raus. Die Zeitschriften-Abos sind schon gekündigt, aber noch füllen die thematisch sortierten Bücher und Zeitschriften aus knapp 50 Jahren etwa 200 Regalmeter. Hinzu kommen didaktisch aufbereitete Lern -und Anschauungsmaterialien, Fotoserien, Aktionsplakate und über 1200 Filme. Was davon noch aktuell ist und ausgeliehen werden kann oder archiviert werden muss, kommt jetzt ins Haus der Kirche am Burgacker oder andere sinnvolle Orte. Das meiste wird aussortiert werden müssen.
Zu etlichen Stücken, die er jetzt noch einmal in die Hand nimmt, fällt Schaper eine erfolgreiche Kampagne ein, eine gelungene Ausstellung, eine Delegationsreise in den Partnerkirchenkreis auf den Philippinen oder auch mal ein legendärer Flopp. Wie damals, als mehrere Schulklassen der Japanischen Internationalen Schule in Düsseldorf auf dem Weg ins Duisburger Stadion im Schienenverkehr der Deutschen Bahn steckenblieben. So wies Schapers ehrgeiziger und aufwändig organisierter Plan, den Kampagnenslogan „Fairplay Duisburg“ aus vielen hundert hoch gehaltenen Plakaten auf den Rängen erscheinen zu lassen, am Ende doch einige Lücken auf. Ein voller Erfolg war dagegen die Mitmachausstellung „Mercado Forestal – eine Reise durch den Regenwald“ in der Cubus Kunsthalle, die allein von 180 Schulklassen und Konfirmandengruppen besucht wurde.
Natürlich hatte es Martin Schaper, als studierten Biologie- und Geographielehrer mit einem Diplom in Tropentechnologie ursprünglich auch selber in den Entwicklungsdienst gezogen. Aber bald hatte er eine Erkenntnis, die sein Berufsleben nachhaltig beeinflussten sollte: „Es nützt doch oft gar nicht viel, in teils protzigen Projekten hochtechnologische Anlagen nach Afrika zu bringen. Hier bei uns in Europa muss sich das Umweltbewusstsein, das Konsumverhalten und unsere Einstellung zur Gerechtigkeit ändern, damit wir nicht länger auf Kosten der anderen leben.“ An dieser Aufgabe, das Bewusstsein der Menschen vor Ort zu entwickeln, hat er nun 30 Jahre gearbeitet. „Mein Traumjob“, sagt er noch heute, „das Prickelnde daran ist, dass man mit so vielen unterschiedlichen Menschen, Gruppen und Organisationen zusammenarbeiten kann.“ Er kooperierte mit Gemeinden, Kitas, Schulen, Eine Welt Gruppen, Umweltverbänden, städtischen Einrichtungen und überregionalen Bündnissen. Mit 22 Kooperationspartnern gründete die Infostelle das Bündnis Fairtrade-Town Duisburg. 2013 wurde Duisburg daraufhin als Fair-Trade-Town zertifiziert. Über den eigens gegründeten Verein FairNetz Duisburg wurden im Rahmen der Kampagne „Der Pott kocht fair“ inzwischen über 100 000 Packungen fair gehandelter Duisburg-Kaffee verkauft.
Seit 2016 organisiert Schaper mit sechs Kooperationspartnern alternative Hafenrundfahrten, die umfassend und kritisch über die Handelswege und die Auswirkungen der Globalisierung auf das Spannungsfeld Hafen informieren. Die beliebten Touren sind stets ausgebucht. Schaper wird sie auch nach seinem Abschied vor der Infostelle weiter betreuen. Auch dem Duisburg-Kaffee wird er weiter seine Zeit widmen. Und er überlegt, ob er im Ruhestand gemeinsam mit seiner indischen Lebens-partnerin Workshops in Kindergärten und Grundschulen anbieten wird.
Aber zuvor muss er noch viele Regalmeter Papier aussortieren. Martin Schaper seufzt, ein bisschen Trauerarbeit ist auch dabei, er wird die Infostelle vermissen.
„Die Arbeit von Martin Schaper wird mit einem kleineren Stellenanteil weitergeführt werden“, sagt Superintendent Dr. Christoph Urban zur Zukunft der Infostelle, „dabei wird die Partnerschaft mit den Philippinen den Schwerpunkt bilden.“
Text vom 9.12.2022: Sabine Merkelt-Rahm
Das Bild zeigt Martin Schaper in der Infostelle, Foto: Rolf Schotsch